Diese Filmkritik zu Der Soldat James Ryan erschien im November 1998 auf indonet.de. Für mein Archiv habe ich sie hier neu publiziert.
Vietnam – für viele Amerikaner war der Dschungelkrieg der erste dunkle Fleck auf der weißen Weste ihrer Nation. Gut und Böse, Weiß und Schwarz, wurden dort zu einem großen grauen Gewirr. Anders der zweite Weltkrieg: Gegen die Deutschen, die Unterjocher und Besatzer, traten die Alliierten an, strahlende Helden und Befreier. Schwarz versus Weiß.
Umso erstaunlicher ist es, daß Spielberg in seinem Der Soldat James Ryan eben nicht der Versuchung erliegt, patriotischer Heldenverzückung zu frönen. Amerikanische Soldaten sind hier nicht bloß strahlende Helden, sie haben auch Schattenseiten. Selbst Tom Hanks, der All-American Mr. Nice Guy, ist kein reiner Sympathieträger, hat er doch mit seiner Rolle des Captain John Miller Mut bewiesen. Denn der greift nicht ein, als seine Einheit deutsche Kriegsgefangene hinrichtet.
Dieser Captain ist nicht Gump, nicht ein aidskranker Anwalt, nein, dieser Captain ist ein anderer Hanks. Und mit dieser Besetzung gegen den Strich beweist auch Spielberg Mut, ist doch Tom Hanks die Verkörperung des amerikanischen Traumes in den Neunzigern. Mit diesem Damenopfer versucht er sehr zögerlich die Filmintention, die Warnung vor dem seelenfressenden Krieg, aufrechtzuerhalten. Doch es klappt nicht, Millers Gedanken verraten letztlich ihn – und seine Plotfunktion: Mit jedem, den ich umbringe, entferne ich mich ein Stück mehr von Zuhause. So denkt nun mal kein Hollywood-Bösewicht. So denken Helden.Und er soll ja auch die Story tragen, die Spielberg erzählen will. Erzählen, Spielbergs Stärke, wird zu seinem Problem, denn er kann sich nicht weit genug von der personalen Erzählweise lösen. Anders als Kubrick in Full Metal Jacket legt er nicht Wert darauf, die Enthemmung und Entmenschlichung zu zeigen, die der Krieg hervorruft. Obwohl der Krieg diskriminierungsfrei jeden trifft, behilft sich Spielberg damit, eine kleine, politisch korrekt besetzte Gruppe unterschiedlicher Charaktere herauszugreifen, um an ihren – fiktiven – Lebensläufen seine Story zu erzählen.
Wer ist überhaupt Der Soldat James Ryan? Ein bloßer Namensgeber, bleibt Matt Damon doch blaß. Vielmehr macht die Suche einer Spezialeinheit nach ihm, der seine drei Brüder im Gefecht verloren hat und deswegen nach Hause zurückkehren darf, den Film aus. Und an dieser Suche mußte auch ein Spielberg scheitern, diese Suche irgendwo in der kriegsvernarbten Normandie läßt sich nicht spannend erzählen.
Und das schmerzt, angesichts einer ersten halben Stunde, die den Zuschauer dem Kugelhagel bei der Landung der alliierten Truppen in Omaha Beach aussetzt, ihn verwundet, ihn unter Wasser drückt, ihn erschaudern läßt, kurzum, in der Spielberg die Emotionen der Zuschauer packt. Doch leider lockert sich der Griff bald, der Rest des Films gleitet ab ins Konventionelle, führt zum Déjà-vu. Wirkt der Showdown, dem noch eine unglaublich pathetische Klammer nachfolgt, doch wie aus einem Ford-Film geklaut. Allerdings sieht der Zuschauer immer noch lieber einen streckenweise scheiternden Spielberg als eine halbwegs gelungene deutsche Komödie à la Stadtgespräch…