Diese Filmkritik zu Spiel auf Zeit erschien im Januar 1999 auf indonet.de. Für mein Archiv habe ich sie hier neu publiziert.
Nervig. Auf den Nenner lassen sich Handys wohl bringen. Wechselwähler nehmen Wechselschalen, mal in der Farbe ihres Lieblings-Clubs, mal in der neuen, schicken Herbstfarbe. Rick Santoro (Nicholas Cage) ist arrogant. Also ist sein Handy golden.Dieser „golden boy“ ist außerdem ein korrupter Cop in Atlantic City, Casino-Hauptstadt der Ostküste, aber das ist hier eh die Regel. Gute Menschen gibt es hier nicht, die Götter kämen vergebens. Höchstens loyal oder nicht loyal, lokal skrupellos oder national skrupellos, mehr Nuancen gibt es nicht. Und gerade hier in Atlantic City kulminiert die Verschwörung von ein paar Falken, die unbedingt ein neues Waffensystem produzieren lassen wollen.
Doch ein Hindernis stellt sich ihnen in den Weg: der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten. Der hat nämlich Bauchschmerzen mit dem Projekt, da er den Verdacht hat, an den Testergebnissen der neuen Wunderwaffe sei herumgedoktert worden. Ein arabischer Terrorist soll ihn aus dem Weg räumen.
Nicht von einem Schuldach, nein, in einer Halle mit 14 000 tobenden Zuschauern, die allesamt einen hochklassigen Box-Fight sehen wollen. Stattdessen werden sie zu Zeugen eines Mordes. Der Verteidigungsminister wird erlegt – zwei Schüsse reichen völlig.
Eine Massenpanik bricht aus, als der Sicherheitschef des Verteidigungsministers, Kevin Dunne (Gary Sinise), die Ausgänge der Halle absperren läßt, um die Personalien aller Anwesenden aufzunehmen. Denn die Verschwörer des arabischen Attentäters, den er kurz nach den tödlichen Schüssen selbst erledigt hat, müssen noch in der Halle sein.
Doch ein dunkler Schatten liegt auf seiner Weste: Hat er doch seinen Posten vor dem Verteidgungsminister aufgegeben und so dem Mörder erst freie Schußbahn ermöglicht. Doch Rick Santoro ist Dunnes Freund aus Schultagen. Er weiß Rat: „Du erzählst einfach das, was Du richtig gemacht hast, und den Rest läßt Du weg!“
Schon bald läuft die Ermittlung, die sie gemeinsam führen. Doch beim Videostudium der Bilder aus der Halle kommen dem korrupten Cop Zweifel an der Version seines Freundes.
Konnte Gary Sinise nicht einmal nicht der unauffällige Verdächtige sein? Das war er schon in Kopfgeld.
Auf ein virtuoses Spiel mit Kameras hat sich Brian De Palma in seinem neuen Thriller eingelassen – und gewonnen. Doch das Spiel mit der Geschichte hat er verloren. Der Sturm, der während des Filmes in Atlantic City tobt, scheint einige Seiten des Drehbuchs verschlungen zu haben.
Bleibt die kraftvolle Anfangssequenz – wohl 15 Minuten ohne einen einzigen Schnitt. Eine Meisterleistung, auch schauspielerisch. Die wird vor allem von Nicholas Cage getragen, ist er doch beinahe ständig on-screen. Doch seine Vitalität und Präsenz wirken fast erschreckend, aufdringlich. Denn Rick Santoro ist kein leiser Mensch, der brav klopft – er rempelt an, schlägt eine Nase blutig, nur um im nächsten Augenblick seine Polizeimarke zu zücken.
Auch wenn er aufgesetzt wirkt: Wenn doch ein wenig von diesem Anfangsschwung auch im Rest des Films steckte…