Boogie Nights: Zu lang

Diese Filmkritik zu Besser geht’s nicht erschien im Februar 1998 auf indonet.de. Für mein Archiv habe ich sie hier neu publiziert, auch wenn ich das inzwischen mit meiner schlechten Bewertung ganz anders sehe. Ich war noch nicht reif genug.

Eddy Adams, ein 17jähriger schmächtiger Junge (Mark Wahlberg) arbeitet als Kellner und Gelegenheitsstricher in einer Strip-Bar im L.A. der Siebziger. Er träumt davon, einmal ganz groß im Pornogeschäft herauszukommen. Und zwar vor der Kamera. Denn Eddy hat nichts zu verlieren – die Schule abgebrochen, zu Hause bloß the family from hell. Ach Gott, der arme Junge! Da muß man ja förmlich Pornostar werden.

Zufällig wird Pornoproduzent Jack Horner (Burt Reynolds) eines Tages auf den blassen Knaben mit dem schrecklichen Toupet aufmerksam. Der Junge erweist sich als großes Talent, oder besser gesagt, als langes. 33 Zentimeter, um genau zu sein. Doch zunächst steht auch für den „Begabten“ eine harte Prüfung an – die Besetzungscouch. Das Besondere: Der Produzent sieht nur zu – und gibt Haltungsnoten. Nach der Reifeprüfung findet Eddy Produzent und Partnerin, Begaffer und Begaffte, befriedigt vor – der Einstieg in ein wunderbares Leben. Schon für seinen ersten Streifen erhält er den Rookie-Award als bester Newcomer. Die Partnerinnen reißen sich um ihn, der sich inzwischen Dirk Diggler nennt. Die Zuschauer, Männer halt, stehen an den Kinokassen Schlange…
Auf den Aufstieg folgt der Fall. Hybris eben. Der Mann mit dem Koks ist immer da. Da holt sich der gehypte Performer allerersten Ranges so manche blutige Nase. Und wird eines Tages ersetzt – durch einen ebensolchen Amateur wie er einst einer war. Er landet unsanft auf bekanntem Terrain: im Strichergeschäft. Doch hier gibt’s nur ein paar lumpige Dollar und was auf die Nase: Verprügelt von ein paar Schwulenhassern – schleicht er wie ein begossener Pornopudel zurück zu seinem Mentor, Jack Horner. Der nimmt den größten Star, den er je hatte, auch gern wieder auf. Schließlich hat der den größten Star immer noch bei sich…

Marky „CK“ Mark, ach ja, Mark Wahlberg heißt der ja offiziell, war einmal bekannt als in Pfützen herumspringender Teenierapper, den außerhalb der Welt der Teeniepostillen niemand ernst nahm. Da setzte er sich in den Kopf, es doch einmal mit dem Schauspielern zu versuchen, wie so viele alternde Models und Rockstars. Das ist ja in Ordnung, solange sie ein wenig schauspielerisches Talent haben. Bei dem amerikanischen Unterwäscheposterboy ist das anders. Marky Mark scheint sich die letzten Gehirnzellen weggekokst zu haben – schließlich saß er wegen Drogenbesitz im Knast. Noch dazu gehört der eigentliche Hauptdarsteller des Films gar nicht ihm, sondern dem Regisseur…

In Interviews tönt der Hauptdarsteller immer davon, daß dieser Film ein Meisterwerk sei. Warum? Darüber darf spekuliert werden. Auch die Kritiker trauen sich offenbar nicht, den Film zu verreißen – was die einzig angebrachte Reaktion auf den filmischen Müll wäre, der da über die Leinwand flimmert. Vielleicht haben sie ja Angst, als prüde abgestempelt zu werden. Wer weiß. Eine andere Theorie klingt noch bestechender: In dem Wissen, zum ersten (und vermutlich auch einzigen) Mal dienstlich einen (vermeintlichen) Porno ungestraft sehen und rezensieren zu dürfen, versuchen sie aus dem billigen Machwerk ein Meisterwerk zu schreiben. Das es aber ganz gewiß nicht ist. In der Videothek gehört der Streifen jedenfalls in die dunkle, schmierige Ecke hinter dem roten, siffigen Plüschvorhang. (Trotz Oscarnominierung für Burt Reynolds als Nebendarsteller mit der besten Perücke!) Giftschränke gibt es ja nur im Labor.

Der Soundtrack ist übrigens ganz nett… Um ehrlich zu sein, er ist das Beste an diesem, tja, Film ist schon zuviel der Ehre. Aber die Siebziger bieten ja genug Sound-Material zum munteren Plündern, wie man bei dem Meisterwerk Jackie Brown schon gehört hat. Optisch lassen sich die wilden Seventies eh scheinbar nur mit Nylonhemden, Schlaghosen, Plateausohlen und feuerfesten Stahlwolleperücken einfangen.
Auch wenn der Titel „Letzte Nacht“ von Creme de la Creme auf dem Soundtrack nicht zu finden ist – denn die Band gab es damals halt noch nicht – er hätte gepaßt, singen sie doch: „In meinem Laden darfst Du nicht mit Deinem Penis protzen.“ Warum hat sich Markyboy nicht an diese Regel gehalten? In einem derartigen miserablen Streifen mitgewirkt zu haben, wird die Karriere des Ex-Calvin-Klein-Models nämlich nicht gerade aufrichten. So etwas nennt man in Hollywood den Showgirls-Effekt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert