Gattaca: Der Erfolg lag nicht in der Wiege

Diese Filmkritik zu Gattaca erschien im April 1998 auf indonet.de. Für mein Archiv habe ich sie hier neu publiziert (und ja, ich habe den Film viel zu schlecht wegkommen lassen):

Die nicht allzu weite Zukunft. Gentechnik bringt das Kind aus dem Katalog. Zwar dienen die Zellen von Vater und Mutter noch als Rohmaterial – aber Segelohren, Akne-Veranlagung und Krebsneigung soll das Wunsch-Kind dann bitteschön doch nicht haben. Derartige negative Veranlagungen werden noch vor der Geburt ausradiert. Und der Frauenarzt liest den Eltern jeden Wunsch von den Lippen ab – sein Gebrauchtwagenverkäufer-Spruch: „Denken Sie daran: Es ist immer noch ihr Kind. Doch nur das Beste von Ihnen!“ In dieser Welt gibt es schließlich schon genug Unperfektes…

…zum Beispiel Vincent Freeman (Ethan Hawke), „love-child“ seiner Eltern, gezeugt auf ehemals „natürliche Art“ irgendwo am Ufer des Erie-Sees. Aber die Welt von „Gattaca“ ist alles andere als romantisch. Eine Petri-Schale und zwei Zellen – das schmutzige Vorspiel dazu ist überflüssig geworden. Als Vincent mit einigen körperlichen Defekten geboren wird – sein angeborener Herzfehler wird ihn nicht älter als 32 Jahre werden lassen, prophezeit die Ärztin schon Minuten nach seiner Geburt – ist der Spaß auch für seine Eltern vorbei. Sein Bruder entsteht zwei Jahre später dann auch im Reagenzglas.

Doch die minderwertigen Gene verhindern nicht, daß sich der kleine Vincent riesigen, für „De-Gene-Rates“ wie ihn unerfüllbaren Träumen hingibt – denn er will als Raumfahrer das Weltall erkunden. Eigentlich nichts Besonderes, starten doch täglich Dutzende Raumflüge. Wenn da eben nicht seine verdammten Chromosomen wären. Diesem Traum kommt Vincent räumlich zwar sehr nahe – als Putzmann bei der Gattaca Corporation, einer Agentur für Weltraumfahrten, aber in der Sache ist er Lichtjahre entfernt.

In seiner Verzweiflung begibt er sich auf den Schwarzmarkt – und wird fündig. Eine neue Identität – und zwar eine genetisch perfekte – verschafft ihm der Topschwimmer Jerome Morrow (Jude Law), der durch einen Unfall im Ausland zum Krüppel geworden ist. Die bedarf aber intensiver Pflege. So versorgt ihn der an den Rollstuhl gefesselte ehemalige Top-Athlet mit Urin und Blut, damit Vincent sich bei den ständigen Gen-Tests erfolgreich als Jerome ausgeben kann. Gesichter zählen in dieser schönen, neuen Welt nicht mehr. Einzig entscheidend sind die winzigen Drehleitern, die sich DNS nennen. In einem Mordfall gerät Vincent/Jerome dann schnell in Verdacht, da man eine seiner Wimpern in unmittelbarer Nähe des Tatorts findet. Jeder falsche Schritt kann ihn jetzt von seinem Traum abbringen…

Zum Menschsein gehört mehr als bloß die Gene, nämlich Etwas, das man human spirit nennen kann. Träume, Wünsche, Begierden – samt und sonders von Natur aus eben nicht perfekt, nicht vorhersehbar. So verliebt sich der Gejagte in die ebenso perfekte Uma Thurman.

Zum Filmsein braucht es eine Geschichte, Charaktere, die den Zuschauer mitziehen, ihn verzaubern. Der gelangweilte Ethan Hawke, ewiger Generation-X-Slacker, schafft das – wie schon in Große Erwartungen nicht. Und Uma? Als love-interest ist Uma Thurman einfach eine krasse Fehlbesetzung. Für die hölzerne schauspielerische Nicht-Leistung der Gefrierschrankkühlen kann man sich schlicht nicht erwärmen. Kein Vergleich mit einigen ihrer bisherigen Rollen, zum Beispiel als Poisin Ivy in dem furchtbaren Batman und Robin oder als zugekokste Gangsterbraut in Pulp Fiction.

Ein Science-Fiction-Film ohne Science-Fiction – auch das funktioniert nicht. Denn ohne Raumschiffe und Aliens wirken die auf futuristisch getrimmten Kulissen wie eine brandneue Chip-Fabrik – hochsteril, aber genau deshalb auch total leblos. Wie weit dürfen wir Menschen gehen? scheint der Film zwar zu fragen. Eine Antwort bleibt der zähe Streifen aber bis zuletzt schuldig. Und im Grunde möchte man sich mit dem Thema auch nicht näher beschäftigen, wenn genetisch perfekte Menschen derartige Langeweiler sind…

P.S. Ach so, die Erklärung des Titels bleibt der Film schuldig, man findet sie im Brockhaus. Die Buchstaben G, A, T und C sind nämlich die gebräuchlichen Abkürzungen für die Grundbausteine allen Lebens – die Proteine Guanin, Adenin, Thymin und Cytosin, die die Geninformation in der Doppel-Helix der DNS kodieren.

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