Sat1.de

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2011 war in weiten Teilen des digitalen Deutschlands noch gar nicht klar, dass Agil das Bayern München der Softwareentwicklung werden würde. Im Rest der Welt: schon. Aber Deutschland war ein kleines gallisches Dorf.

Als ich in den Konzern ProSiebenSat.1 wechselte, war Sat.1 noch ein großer Sender, und die SPD eine Volkspartei. Die beiden waren für mich immer wie Schwestern, und ihr Niedergang verläuft für mich auch parallel.

Sat.1 war außerdem damals noch Colour your life (der bunte Ball war zeitweise nur magenta und weiß gestreift), und ich habe sogar noch ein T-Shirt aus dieser Zeit. Die Klavika ist und bleibt eine meiner Lieblingsschriftarten. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich in den Tierpark Hellabrunn gehe. Denn da ist das eine der Hausschriften. Die andere ist die alte Apple-Markenschrift von vor vielen Jahren. 

Screenshot von der Startseite der Website des Tierparks Hellabrunn in München. Rechte beim Tierpark. Alles, was in den grafischen Elementen an Text steht, ist in verschiedenen Klavika-Breiten und -Stilen gesetzt.

Glücklicherweise fand mein erster Relaunch dieser Größenordnung in einem richtig guten Setup statt:

  • ein Projektsponsor, der nicht nur das Budget organisiert hatte, sondern auch an einem guten Ergebnis hatte
  • einen Bereichsleiter, der das Projekt nur geerbt hatte, und dennoch viel Kraft darauf verwandte, das Projekt über die Ziellinie zu coachen
  • viel Vertrauen bei den operativ Tätigen: Irgendwann rief der CTO einen täglichen Update-Termin ins Leben, weil es scheinbar nicht voran ging. Dort waren wir mit dem CPO, dessen Stellvertreter, mir als Product Owner, der Vertreterin der Redaktion als wichtigstem Stakeholder sowie dem CPO und dem Business Owner sehr offen miteinander.)

Dort habe ich zum ersten Mal in einem agilen Softwareteam gearbeitet, in der Rolle als Product Owner, die mich sehr prägen sollte. Wenn ich es richtig weiß, war das Team auch eines der ersten agilen Teams überhaupt im digitalen Bereich des Fernsehkonzerns in Unterföhring. Und es war eine Zäsur – zum ersten Mal wurden wieder die Ressourcen, die man früher IT nannte, ins Haus geholt. Weil man sie als Kernkompetenz begriff. Eine spannende Zeit.

Außerdem habe ich ganz tiefe Beziehungen zu der Stakeholderin der Redaktion und Co-Product Ownerin aufgebaut, zum Projektmanagement und zu einigen Entwicklern. Einer der Entwickler hat mich fast zehn Jahre durch mein professionelles Leben begleitet (2011-19).

Das Projekt selbst wurde noch im Sinne eines Wasserfalls geführt – mit dedizierter Projektmanagerin, Budget für das Projekt (vor allem für das Design, das eine externe Firma lieferte – tolle Arbeit) – und fern ab von Produktdenken im Unternehmens-Großen.

Im Team-Kleinen haben wir es sehr wohl als Produkt begriffen. Wir haben eine Menge Probleme damit gelöst:

  • Wir führen ein neues CMS ohne laufende Lizenzkosten ein (bei mehreren hunderttausenden erwarteten Objekten im CMS eine deutliche sechsstellige Einsparung. Pro Jahr!)
  • Wir holen uns CMS-Experten in-house
  • Wir optimieren die Startseite auf Werbe-Event-Buchungen à la MediaMarkt und Co.
  • Wir gleichen den Look der einzelnen Sendungen (die beim TV Formate heißen) an.
  • Wir differenzieren visuell nur nach der erwarteten Größe (Einschaltquote, Bedeutung für die Marke, Menge des zu erwarteten Contents)
  • Wir schaffen Vorlagen für einzelne Seitentypen (z.B. Videoplayerseite, Episodendetailseite, Artikelformat)
  • Wir schaffen einen Baukasten an Teasern für eine optisch ansprechende Gestaltung der Übersichtsseiten.
  • Wir haben einen laufenden Austausch zwischen Stakeholdern, Business, Produkt und Softwareentwicklung geschaffen
  • Wir haben einen SEO-sauberen Relaunch geschafft (Content umgezogen, Content statisch abgelegt – keine Einbrüche bei der Sichtbarkeit der Webseite hingenommen).
  • Wir haben die Webseite immerhin ein halbes Jahr nach Sender-Look-Umstellung live genommen. Toll, dass wir die Zeit dafür bekommen haben!

Learnings aus heutiger Sicht

Haben wir dazu Kunden, also Fernsehzuschauer mit Onlinezugang, befragt? Nein, das haben wir schlicht versäumt. Das ist rückblickend die größte Fehlleistung meinerseits bei diesem Projekt. Und 2011 hätte man schon eine responsive Webseite mitdenken müssen. Aber das kam dann 2012, mit Sixx.de.

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