Matrix Resurrections: Klassentreffen der 90er Jahre-Ikonen

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Die 90er Jahre haben das aktuelle Mainstream-Kino massiv verändert. Immer schon waren große, laute Filme das, womit Kino reüssieren konnte. In den neunziger Jahren haben endlich die Möglichkeiten aus dem Computer das Arsenal der Filmemacher erweitert. James Cameron erschreckte uns mit dem flüssigen Roboter, der nur töten wollte; Spielberg brachte uns lebensechte Dinos, und die Matrix zeigte uns, dass alles nur eine Simulation ist. Selbst die Oberfläche eines Spiegels war nicht mehr trivial.

Als ich 1999 den Film das erste Mal sah, war die Welt verändert. Waren in den großen Natriumdampflampen auf dem Platz vor dem Kino mit ihrem fahlen Licht nicht in Wirklichkeit Überwachungskameras versteckt, um uns zu kontrollieren? Ist das Kino an sich nicht überhaupt ein Ort, um uns zu unterdrücken und unsere Emotionen, gar unsere Körperwärme zu ernten?

Der erste Teil der Matrix-Trilogie, die jetzt eine Tetralogie geworden ist, und sicher nie so geplant war (zwinkerzwinker, bald kommt Scream, der 100. Teil), war ein ernstes Unterfangen. Also wenn man den Film lässt und ihn wirklich ernst nimmt. Was ich immer getan habe, dem suspension of disbelief voll auf den Leim gehend.

Ein Mann entdeckt etwas über die Welt, was ihn immer schon gestört hat. Alles ist Lüge, alles hat einen Plan; sein Wunsch nach Freiheit stürzt ihn in eine Art Tugendterror, die Maschinen wirklich zu bekämpfen. Und das, obwohl die Freiheit echt ätzend schmeckt – mit Leim-Pampe, schlecht sitzenden, wurmstichigen Klamotten und Löchern in Körper, in die spitze Metallgegenstände geführt werden. Von USB-C hat keiner was gehört.

Nichts von dieser Ernsthaftigkeit ist in Teil 4 geblieben. Der menschlichste Ort in diesem Film ist ein stylisher Coffee Shop. Resurrections – das deutet es schon an: Diesmal gibt es zwei Wiederauferstehungen, weil sonst wäre es nicht die Jesus-Geschichte aus Teil 1. Und wir Filmgeher sind längst abgestumpft von dem Fingerschnippen, mit dem heute alles möglich ist. Ganze Planeten werden kreiert und ausgeknipst, alles auf einer grünen Wand im Computer oder vor hallengroßen LED-Wänden.

Wir sind so souverän, so post-modern. Auf dieser Ebene gibt es in Resurrections ein Wiedersehen mit Neo und Trinity, aber nicht mit den „richtigen“ Morpheus und Agent Smith. Das ist letztlich egal, und sehen muss man es auch nicht. Genauso wenig wie man zu seinem 22-23-jährigen Klassentreffen gehen muss.

P.S. Mein Lieblingskino in München hat zum Film sogar die Lichtstimmung der Hausbeleuchtung geändert. Der erste Teil hat mich das Sehen der Farbe Grün gelehrt. Offenbar auch das Team im Cinema.

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