Studio 54: Ein Prinz von New York

Diese Filmkritik zu Studio 54 erschien im Januar 1999 auf indonet.de. Für mein Archiv habe ich sie hier neu publiziert. 

Ein neuer Haarschnitt. Für manche markiert er den Beginn des Wehrdienstes, für andere einen neuen Lebensabschnitt. Für Shane (Ryan Philippe) aus New Jersey den Sprung ins Scheinwerferlicht: Kommt er doch so zum ersten Mal in den New Yorker Club Studio 54.Unters Promivolk wollte er sich schon immer mischen, besonders die reizende Seifenoper-Königin Julie Black (Neve Campbell), die wie er selbst aus dem Turnpike-State stammt, hat es ihm angetan. In dieser Nacht hat ihn Steve Rubell endlich reingelassen. Denn der Clubbesitzer (Mike Myers) läßt es sich – auch an den hektischsten Abenden – nicht nehmen, selbst zu entscheiden, wer in seinen Club reinkommt, und wer eben nicht. Denn wo sich Andy Warhol und Gracia Patricia tummeln, müssen die Gäste reich oder schön sein. Da Shane schön ist, ergattert er schon bald einen Job hinterm Tresen des Studio 54.

Rubell hat es wirklich gegeben, den Club ebenso, und auch wohl unzählige Shanes, die durch die Disconacht flackerten. Dessen Weg nach oben ist beinahe unaufhaltsam, bunte Pillen und weiße Pülverchen helfen ihm dabei. Doch – und hier wird der Film unglaubwürdig – an Shane geht das alles spurlos vorbei. Anders als etwa Dirk Diggler (Mark Wahlberg) in dem Porno-Epos Boogie Nights wird er nicht zum Wrack. Nein, Shane strahlt immer – und bleibt integer. Das Wort Überdosis gibt es für ihn nicht.

Als Chef-Barkeeper ist er auf dem Gipfel. Er ist zu einem Nachtschattengewächs geworden, das jede Nacht in der Dunkelheit Gothams erblüht – mit Blütenstaub unter den Augen. Doch ihm fehlt der Feinschliff für die Cocktailgesellschaft. Er bleibt stets ein Junge aus New Jersey, ein wenig naiv.

Doch das Ende der rauschhaften 70er naht. Die Steuerfahndung macht Clubbesitzer Rubell den Garaus – hat der doch jahrelang Geld am Fiskus vorbeigeschmuggelt. Damit endet ein Kapitel Clubgeschichte für immer – denn das Flair, das Stevie schuf, konnten die Konzerne, die die Diskotheken übernahmen, nicht erhalten.

In der Neujahrsnacht 1979 endet die ständige Party, die sich Studio 54 nennt, in einer Razzia. Während die 70jährige Disco-Queen Dotty auf der Tanzfläche an einer Überdosis stirbt, wird Anita als Pop-Queen geboren. Und auf die Bühne treten so die Achtziger, trällert sie doch erkennbar Eighties-Pop.

Auch wenn Steve Rubells Abhängigkeit von Drogen durchaus warnend daherkommt, geht Studio 54 mit den steten Begleitern der 70er wesentlich unkritischer um als etwa Fear and Loathing in Las Vegas. Der Abgrund, der lauert, öffnet sich nie mehr als ein Stück. Selbst Dottys Tod stoppt die Musik nur für ein paar Takte. All die Exzesse, die in der Urfassung des Films noch enthalten waren, ließ die Produktionsfirma Miramax nach Testvorführungen herausschneiden. So konnte Regisseur Mark Christopher keinen zweiten Boogie Nights drehen. So versprechen die provokanten Werbeclips, die der deutsche Verleih produzieren ließ, weit mehr Skandal, als der Film einlöst. Denn im Grunde bleibt Studio 54 nur die blitzsaubere Chronik eines legendären New Yorker Nachtclubs.

 

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